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Zu dem Erfolg von Schmidt & Melmer trug vor allem die frühe Spezialisierung auf die Entwicklung und Produktion von Müllgefäßen ebenso bei wie die Produktqualität, die die Kommunen und die Betreiber der kommunalen Müllbeseitigungsbetriebe überzeugten.

Schmidt & Melmers Mülleimer müssen die Kommunen aber auch durch ihre Solidi­tät und Durchdachtheit überzeugt haben. Kölns Fuhrparkdirektor G. Adolphs begrün­det 1929 nach der Ausschreibung für Müllbehälter für die Stadt Köln den Zuschlag auf die Mülltonne von Schmidt & Melmer mit deren Qualität und Konstruktion: „Diese Mülltonnen besitzen einen kreisrunden Querschnitt. Sie unterscheiden sich von der bis­herigen Form der Wechseltonne durch einen gut schließenden, mit Scharnier am Ton­nenkopf befestigten Deckel. Im Innern sind die Mülltonnen vollkommen glatt, so daß das Müll unter allen Umständen herausrutscht. Die maschinelle Druck-Wasserreinigung wird durch die runde Form sehr erleichtert. Während bei den zusammengesetzten Pro­filen bei etwaigem Stoß nur derjenige Ring der Mülltonne beansprucht wird, der gerade den Stoß auffängt, wird bei dem aus einem Stück gebildeten Hohlprofil der Stoß vom ganzen Ringquerschnitt aufgenommen. Die Art der Ringbefestigung mit dem Tonnen­rumpf ist einwandfrei. So wesentlich der obere Profilring an und für sich für das dauern­de Funktionieren der staubfreien Entleerung ist, so ist der untere Rand der Mülltonne im Allgemeinen der stärksten Beanspruchung ausgesetzt und infolgedessen durch einen besonderen Profileisenfuß verstärkt. Dessen Dimensionen sind so gewählt, daß die Stoß­übertragung auf den Rumpf ohne Nachteil erfolgen kann. Der Scharnierdeckel hat eine innere Verstärkung, die ein deformieren [!] des Deckels vermeiden soll, wenn der Müll überfüllter Gefäße in die Tonne hineingepresst wird, ohne daß der Deckel durch die Verstärkung an Elastizität verliert. Durch den auf dem Deckel der Tonne angebrachten Trudelknopf ist die Möglichkeit geben, die Tonne durch einen Mann herausrollen zu lassen. Außerdem gewährleistet beim Wechseltonnensystem der Trudelknopf in Verbin­dung mit dem Festhaltebügel des Plateauwagens einen festen Stand der Tonnen auf dem Fahrzeug selbst. Ausschlaggebend war weiter die außerordentlich gut konstruierte staub­verhindernde Kipphaube mit passender Einschüttöffnung, die noch durch eine maschi­nelle Kippvorrichtung ergänzt war. [...] So kann man wohl unangefochten behaupten, daß mit diesem Tonnensystem ein allen Ansprüchen gerecht werdendes Sammelgefäß konstruiert worden ist.“ 24

Die Voraussetzung für die Einführung einheitlicher Müllgefäße war erst gegeben, als gesetzliche Grundlagen für die Überführung der Müllabfuhr in öffentliche, d.h. gemeindliche Betriebe geschaffen worden waren. Die Mülleimer bzw. Hofstandgefäße (Mülltonnen) der Fa. Schmidt & Melmer, die eine Staubentwicklung bei ihrer Entlee­rung in speziell angepasste Einfüllöffnungen in den bald motorisierten Müllabfuhrwa­gen ausschlossen, hatten sich durchgesetzt und allenthalben bewährt. Der Patentschutz umfasste die Idee, die Mülleimer automatisch zu öffnen und zu schließen, nachdem sie mittels einer sinnvollen und nur zum ES-EM-System passenden Vorrichtung mechanisch - später hydraulisch - an die Abschlussklappe der Einschüttvorrichtung am Müllwagen angekoppelt und entleert worden waren.

Schmidt & Meimers Ringsystem war so ausgefeilt und marktbeherrschend, dass das Deutsche Institut für Normung dieses System 1959 als Grundlage für die DIN 6628 „Mülleimer für staubarme Leerung, 35 l und 50 l“ und die DIN 6629 „Mülltonnen für staubarme Leerung, 110 l“ nahm und so die in Deutschland eingesetzten Müllgefäße normierte und vereinheitlichte.25 Beide Normen sind inzwischen von Nachfolgenormen abgelöst.

Ende der 1950er Jahre hatte Schmidt & Melmer im Stammwerk Weidenau den Behäl­terbau intensiviert. Ein neuer leitender Angestellter war eingestellt worden, der hierfür eine neue Abteilung aufbauen sollte.26 Das stieß in den engen alten Gebäuden jedoch schnell an seine Grenzen, so dass 1962/63 in Kredenbach bei Kreuztal ein Zweigwerk errichtet wurde, das erfolgreich im Behälter- und Apparatebau für die Getränkeindustrie und Chemiekonzerne tätig war. Die Werkszeitung der Siegerländer Industrie berichtete 1963 über dieses Werk:

„Auf einem 24 800 Quadratmeter großen Gelände im Ferndorftal hat die Weidenauer Firma Schmidt & Melmer am Ortsrand von Kredenbach in Richtung Dahlbruch ein neues Werk errichtet. Der helle Klinkerbau, der insgesamt eine Fläche von 2 000 Qua­dratmeter bedeckt, ist 61 Meter lang und gliedert sich in ein 17 Meter breites Mittelschiff und zwei je 8 Meter breite Seitenschiffe. An das Mittelschiff schließt sich rückwärtig im Freien eine 15 Meter lange Kranbahn an. Etwas abgesetzt steht auf einer Fläche von 70 Quadratmetern ein Transformatorenhaus, das in der gleichen freundlichen Klinkerbau­weise errichtet ist wie die Werkshalle. Der Entwurf der Gebäude stammt von dem Weidenauer Architekten Karl Sting. [...]

In dem neuen Zweigwerk in Kredenbach widmet sich die Firma einer weiteren Fer­tigung. Hier werden Behälter bis zu einem Durchmesser von 3000 Millimeter und ei­nem Stückgewicht bis zu 7,5 Tonnen hergestellt. Als Material werden sowohl allgemeine Baustähle und Kesselbleche als auch rost- und säurebeständige Stähle bis zu einer Blech­stärke von 20 Millimeter verarbeitet. Dabei handelt es sich nicht um Serienfertigung, sondern um den Bau von Behältern und ganzen Anlagen nach Kundenzeichnungen. Gegenwärtig werden hauptsächlich Aufträge von Firmen ausgeführt, die sich mit der Wasseraufbereitung beschäftigen. Der Arbeitsablauf ist in dem Kredenbacher Werk sehr zweckmäßig eingerichtet. Hinter der Halle wird das ankommende Material abgeladen und gelagert und dann durch die Halle hindurch nach vorne gearbeitet, wo die fertigen Behälter aufgeladen und abtransportiert werden. Das Werk ist mit allen erforderlichen Blechbearbeitungsmaschinen, einer großen elektrischen UP-Schweißanlage, sonstigen elektrischen und autogenen Schweißgeräten sowie einem Prüfstand mit Abdrückanla­ge gut ausgerüstet. Daß die gesamte Einrichtung dem neuesten Stand der Technik ent­spricht, versteht sich von selbst. Ebenso ist die Werkshalle selbst nach modernsten Ge­sichtspunkten erbaut.

Neben dem Mittelschiff dient auch das linke Seitenschiff der Produktion. Hier sind Arbeitsplätze zur Herstellung kleinerer Behälter mit Luftabsaugung an den einzelnen Schweißstellen eingerichtet. In abgetrennten Räumen sind das Lacklager und die Lak- kiererei untergebracht, die gemäß den gewerbepolizeilichen Vorschriften mit einer Be- und Entlüftungsanlage versehen ist. Das rechte Seitenschiff enthält das Betriebsbüro, ein

Besprechungszimmer und eine Meisterstube, anschließend eine Anzahl Räume für die Belegschaft, nämlich einen Umkleideraum, einen Waschraum mit mehreren Duschen sowie einen Aufenthalts- und Speiseraum. Auf der rechten Seite der Halle liegen auch die Abteilung Schlosserei und Dreherei und als letzter Raum das Magazin.

Die Firma Schmidt & Melmer beschäftigt in ihrem neuen Kredenbacher Betrieb rund 20 Mitarbeiter, während die Belegschaft in Weidenau rund 200 Mann zählt. Es ist be­absichtigt, das neue Werk noch weiter auszubauen und vielleicht auch die Weidenauer Fertigung ganz oder teilweise nach Kredenbach zu verlegen. Das ist jedoch eine Frage der Zukunft, über die die weitere Entwicklung des Unternehmens entscheiden wird.“ 27

Dieses Werk besteht noch heute mit anderen Eigentümern als „VAKO Vakuumbehäl­ter- und Apparatebau GmbH & Co. KG“ fort.28

 

Weiterlesen: 

→  Die Blechwarenfabrik Schmidt & Melmer, Weidenau (Sieg) - Pioniere der staubfreien Müllabfuhr

→  Aufstieg der Fa. Schmidt & Melmer   

→  Produktion von Müllgefäßen mit Es-Em-System in den 1950er Jahren

→  Die Auskunftsstelle für Müllbeseitigung

Auf dem Höhepunkt

→  Niedergang und Ende der Fa. Schmidt & Melmer


 

 

Anmerkungen:

24 Adolphs, Fuhrpark (wie Anm. 6), S. 70 f.
25 Vgl. Windmüller, Kehrseite (wie Anm. 9), S. 74.
26 Nach G. Althaus, Hilchenbach telefonisch, 3. Mai 2020.
27 Hans Otto Schwarz, Neues Werk in Kredenbach begann mit Behälterbau. In: Aus dem Siegerland. Werkszeitung
der Siegerländer Industrie 13.9, 1963, S. 7.
28 S. nächste Seite: Niedergang und Ende der Fa. Schmidt & Melmer